Das SOFI im Jahr 2013

Forschungsprofil ‑ Kontinuität mit neuen Akzenten

Das SOFI hat sich im Jahr 2013 insgesamt positiv entwickelt. Die positive finanzielle Entwicklung ging zum einen mit einer vorsichtigen Ausweitung des wissenschaftlichen Personals einher. Zu­gleich konnten in den zurückliegenden Jahren neu aufgebaute Forschungsfelder gefestigt sowie in langjährigen Forschungslinien neue Akzente gesetzt werden.

 

Unter dem ersten Aspekt ist besonders die Sozioökonomische Berichterstattung hervorzuheben. Die Bewilligung einer drittes Verbundprojekts durch das BMBF, verbunden mit dem ausdrücklichen Auftrag, ein Verstetigungskonzept zu entwickeln, kann als Anerkennung der vom SOFI initiierten und koordinierten Bemühungen um diese neue Form sozialwissenschaftlich fundierter Berichter­stattung angesehen werden. Als Bestätigung und zugleich als Möglichkeit zur Befestigung einer in den letzten Jahren erarbeiteten Position darf auch die Einwerbung und Umsetzung neuer Projekte zur Evaluation von Maßnahmen der Arbeitsmarktpolitik gelten. Im Rahmen qualitativer Fallstudien stehen die Implementation von Arbeitsmarktpolitik als besondere Dienstleitungsarbeit wie die da­mit verbundenen Teilhabewirkungen für die Betroffenen im Fokus. In diesem Projekteverbund ent­steht kumulativ eine nach Breite und Dichte neuartige empirische Grundlage für die Analyse und Bewertung von Arbeitsmarktprozessen und Arbeitsmarktpolitik.

 

Für neue Akzente bei traditionellen Forschungslinien stehen insbesondere drei Ende des Vorjahrs bzw. im Berichtsjahr begonnenen Verbundprojekte zu Gerechtigkeitsansprüchen und Interessen­orientierungen in Arbeit und Betrieb, zur „’Gute(n) Arbeit’ nach dem Boom“ sowie zu Kollaborativer Innovation. Mit dem ersteren rückt die in der arbeitssoziologischen Forschung seit längerem wenig bearbeitete Frage ins Zentrum, welche Bedeutung Legitimitätsvorstellungen und Gerechtigkeits­ansprüchen von ArbeitnehmerInnen für ihr Interesse an Arbeit und Betrieb haben, und wie sie ihr Arbeits- und Interessehandeln beeinflussen. Diese Frage nach den „subjektiven“ Bedingungen in­di­viduellen und kollektiven Handelns wird umso wichtiger, je weniger die Zuschreibung „ob­jek­ti­ver“ Interessen als Grundlage für das Handeln von ArbeitnehmerInnen greift. Das im Berichtsjahr an­ge­laufenes Projekt zu „Kollaborativen Innovationen“ nimmt das betriebliche Realitätsprinzip von Wis­sensgesellschaft in den Blick. Wie werden Betriebe mit dem Problem fertig, dass extern erzeug­tes Wissen zwar einerseits immer wichtiger wird, dass anderseits der soziale Entstehungskontexts die­ses Wissens für seine Nutzbarkeit zwar wichtig ist, aber nicht einfach mitgekauft werden kann? Die Analyse organisatorischer und sozialer Voraussetzungen für die mehr oder weniger gute Be­wäl­ti­gung dieses Problems verspricht wichtige Beiträge im Bereich der Innovationsforschung. Mit dem Ende 2012 begonnenen Verbundprojekt „’Gute Arbeit’ nach dem Boom“ wird eine Schärfung der historischen Perspektive der arbeitssoziologischen Forschung anvisiert. Die systematische Er­schlie­ßung von Materialien und Befunden, die im Rahmen qualitativer arbeitssoziologischer Fall­studien seit den 1960er Jahren erhobenen wurden, im Lichte aktuell verfolgter Fragestellungen soll nicht zuletzt eine bessere Fundierung von Analysen sozioökonomischen Wandels ermöglichen. 

 

Die Realisierung dieser neuen Perspektiven hängt von der Bewältigung einer Reihe schwieriger methodologischer Probleme ab, für die neue Lösungen in der Form IuK-basierter Erschließungs- und Analyseinstrumente erst entwickelt werden müssen. Insofern ordnen sich diese Forschungen auch in den weiten Zusammenhang der Entwicklung computergestützter Verfahren und Ressour­cen für die geistes- und kulturwissenschaftliche Forschung unter den Stichworten „E-Humanities“ bzw. „Digital Humanities“ ein. In Verbindung mit dem mit der Sozioökonomischen Berichter­stat­tung verbundenen Projekt einer Virtuellen Forschungsumgebung ist insbesondere auch die Ent­wicklung von Konzepten kollaborativer Datenauswertung in Forschungsverbünden ein projek­te­übergreifend verstärkt bearbeitetes Thema.

 

Die Entwicklung im Überblick

 

Im Berichtsjahr 2013 wurden im SOFI insgesamt 29 Projekte bearbeitet. Davon wurden sechs in die­sem Jahr zum Abschluss gebracht und dreizehn neu begonnen. Anders als im Vorjahr befinden sich darunter vier Projekte, die im selben Jahr begonnen und abgeschlossen wurden. Diese ‚Kurz­läufer’ signalisieren hier allerdings nicht eine Tendenz zur Zerfaserung von Akquisemöglichkeiten und –aufwendungen, wie sie in der Vergangenheit zeitweilig zu beklagen war. Sie stehen vielmehr für Gelegenheiten, Ergebnisse der SOFI-Forschung in die politische und gesellschaftliche Praxis ein­fließen zu lassen bzw. um­fäng­li­chere Akquise­perspek­ti­ven durch entsprechende Ex­per­ti­sen vorzu­bereiten. Als über­wie­gende Ten­denz kann für das Be­richtsjahr ein Trend zu eher län­gerfristigen Pro­jekten auch bei den ‚Neuanläufen’ konstatiert werden. Diese Ent­wicklung ist po­sitiv zu bewer­ten, weil solche Pro­jekte eher die Vor­aussetzungen dafür bieten, kom­plexere Frage­stellungen mit Blick auf das eige­ne For­schungs­pro­gramm systematisch und mit längerem Atem zu verfolgen. Zu­dem ermöglichen sie die inhaltliche Konzentration, wenn auch nicht unbedingt die Verminderung von Akqui­se­auf­wänden.

 

Die gestiegene Zahl und Fristenstruktur der bearbeiteten Projekte schlägt sich in einer nochmals deutlichen Zunahme der finanziellen Forschungsaufwendungen des SOFI nieder. Dabei geht der Zuwachs im Berichtsjahr in erster Linie auf die in dieser Weise auch geplante Zunahme des Anteils von Mitteln der Ressortforschung (BMBF, BMAS) zurück. Die betreffenden Projekte im Bereich der E-Humanities, der arbeitsmarktbezogenen Evaluations-, der Bildungsforschung sowie der Sozio­ökonomischen Berichterstattung sind sowohl für die zentralen Linien wie für die integrative Pers­pektive des Forschungsprogramms von großer Bedeutung, nicht zuletzt, weil sie empirische Zu­gänge und Verknüpfungen ermöglichen, die auf anderem Wege kaum zu erschließen wären. Sie entsprechen zudem dem vom Institut verfolgten Anspruch, mit wissenschaftlicher Forschung in politische Praxisfelder hinein zu wirken. Ungeachtet dieser geplanten Verstärkung der Ressort­for­schungsanteile halten wir an dem Ziel einer absoluten und relativen Stärkung des Anteils von Mit­teln der Forschungsförderungsinstitutionen (DFG, VW-Stiftung, Hans-Böckler-Stiftung etc.) fest. Einen Beitrag dazu sehen wir auch in der Förderung eines umfangreichen Verbundprojekts mit der Universität Oldenburg mit Forschungsförderungsmitteln („VW-Vorab“) des niedersächsischen Mi­nisteriums für Wissenschaft und Kultur, weil Erarbeitung und Begutachtung dieses Projekts nach den betreffenden Modalitäten erfolgten. Ein weiterer Beitrag in dieser Richtung besteht in der er­folgreichen Beteiligung an einer Ausschreibung deutsch-französischer Verbundprojekte im Bereich der Sozialwissenschaften durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und die Agence Na­tional de la Recherche (ANR). Das zusammen mit dem Prof. Dr. Bénédicte Zimmermann vom Centre Georg Simmel der Ecole des Hautes Etudes de la Recherche Sociale (EHESS) entwickelte und bean­tragte Projekt wurde zum Ende des Berichtsjahrs bewilligt und nimmt im Frühjahr 2014 seine Ar­beit auf.

 

Der Aufwand für die Akquise neuer Projekte war auch im Berichtsjahr wieder beträchtlich. Dazu trägt wie schon in den Vorjahren bei, dass infolge veränderter Finanzierungsmodalitäten im For­schungsbereich die Zahl der Bewerber um Drittmittel seit einer Reihe von Jahren deutlich zu­nimmt. In diesem Sinne hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft in einer Stellungnahme be­klagt, dass wachsende Anteile der vormaligen Grundfinanzierung von Universitäten in den Bereich der Forschungsförderung verlagert werden, mit der Konsequenz, dass auch durchaus förderungs­würdige Projekte abgelehnt werden müssten1. Eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass sich das SOFI in diesem schwieriger gewordenen Umfeld gut behaupten kann, bilden wie in den zurück­lie­genden Jahren das Engagement aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des SOFI und insbesondere ihre Bereitschaft, Verantwortung für die Akquisestrategie des Instituts insgesamt zu übernehmen. Die andere zentrale Voraussetzung für die Fähigkeit des Instituts, die Erarbeitung und Beantragung von Forschungsprojekten vorausschauend und im Rahmen eines längerfristigen Forschungspro­gramms betreiben zu können, ist die Förderung durch das Land Niedersachsen. Das betrifft in ers­ter Linie die institutionelle Förderung als grundlegende Voraussetzung für Verfolgung einer eigen­ständigen Forschungsstrategie, die sich dauerhaft an wissenschaftlichen wie an gesellschaftlichen Relevanzkriterien orientiert. Darüber hinaus hat das SOFI bei der Realisierung seiner Konferenzen unter dem Titel „SOFI –Work in Progress“ sowie neuerdings im Bereich der Promotionsförderung von speziellen Fördermöglichkeiten durch das Land Niedersachsen profitiert. Die Förderung einer (anschließenden) Abschlussphase von Promotionen, die im Rahmen von Forschungsprojekten er­arbeitet werden, stellt ein Förderinstrument dar, dessen Nutzen mit Blick auf die Projektbear­bei­tungs- und Promotionsbedingungen in Instituten wie dem SOFI kaum hoch genug veranschlagt werden kann.

 

Die Entwicklung der Beschäftigung im Berichtsjahr ist per saldo durch Personalaufbau gekenn­zeichnet. Dem Ausscheiden einer langjährige Mitarbeiterin mit Erreichen der regulären Alters­gren­ze stand eine Neueinstellung ge­gen­über. Hinzu kommen zwei Neu­ein­stellungen, die bereits in der zweiten Hälfte des Vorjahrs er­folg­ten, und die im Berichtsjahr nun­mehr voll zu Buche schlagen so­wie zwei Neu­ein­stellungen im Be­richts­jahr selbst. Die Neuein­stel­lun­gen im wis­sen­schaft­li­chen Be­reich betref­fen jeweils zur Hälfte pro­mo­vierte MitarbeiterInnen und Promo­vendInnen. Mit sechs am SOFI be­schäftigten und zwei exter­nen hat sich die Zahl der am SOFI betreuten Promovend­In­nen gegen­über dem Vorjahr zum Jahresende hin erhöht. Von den internen Promotionen wur­de eine im Berichtsjahr erfolgreich abgeschlossen. Mit der Neuein­stel­lung eines Promovenden im Früh­jahr 2014 bleibt der Umfang der Pro­mo­tions­betreuung durch das Insti­tut absehbar konstant.

Das Institut und seine MitarbeiterInnen sind über die Betreuung von Promotionen im SOFI hinaus in mehrerlei Hinsicht in der wissenschaftlichen Nachwuchsförderung engagiert. Das betrifft zum einen das regelmäßige Abhalten von Lehrveranstaltungen an der Georg-August-Universität sowie die Betreuung von Diplom-, Bachelor- und Masterarbeiten. Im Berichtsjahr wurden vom SOFI Semi­narveranstaltungen im Umfang von 3 Semesterwochenstunden im Wintersemester 2012/13 sowie von 5 Semesterwochenstunden im Wintersemester 2013/14 angeboten sowie jeweils zwei Vorle­sungen der Einführungsvorlesung in die Soziologie bestritten. Darüberhinaus vertraten Janina Söhn im Sommersemester 2013 und Michael Faust im Sommer- und im Wintersemester im Umfang jeweils einer halben Stelle die vakanten Lehrstühle für Migrationssoziologie und für Arbeit und Wissen. Zum anderen erfolgt die Betreuung von Promotionen an externen Institutionen, im Be­richtsjahr zweier in diesem Jahr abgeschlossenen Promotion an den Universitäten Oldenburg und Aix en Provence sowie von zwei abgeschlossenen und vier laufenden Promotionen an der Universi­tät Kassel und einer laufenden Promotion an der Universität Jena Besondere Erwähnung verdient darüberhinaus das Graduiertenkolleg „Qualifikatorisches Upgrading in KMU“, das im Vorjahr im Verbund mit der Georg-August-Universität erfolgreich bei der Hans-Böckler-Stiftung beantragt worden ist und als dessen stellvertretender Sprecher Jürgen Kädtler fungiert. Drei Zweitbetreuun­gen von Dissertationen sowie wesentliche Teile des Kollegprogramms werden aus dem SOFI be­stritten. Schließlich werden von Jürgen Kädtler und Peter Birke als Vertrauensdozenten der Hans-Böckler-Stiftung insgesamt 26 Stipendiaten betreut. Ungeachtet einer notwendig hohen Dritt­mit­telorientierung haben die MitarbeiterInnen des Instituts damit auch im Berichtsjahr beträchtliches Engagement in der akademischen Lehre und in der Nachwuchsförderung außerhalb des Instituts erbracht.

 

Die Entwicklung in der Forschungsschwerpunkten

 

Arbeit im Wandel

 

Im Schwerpunkt Arbeit im Wandel wurde im Jahr 2013 ein weiteres größeres Projekt zur Frage des Umgangs von Betrieben mit den Herausforderungen des demografischen Wan­dels zum Abschluss gebracht. Während in einem 2011 beendeten Vorläuferprojekt der Zu­sammenhang von Tarif‑ und (alter[n]sgerechter) Betriebspolitik im Fokus stand, beschäf­tigte sich das 2013 abgeschlossene Pro­jekt „Problemlagen und Durchsetzungs­be­din­gun­gen alter(n)sgerechter Arbeitspolitik“ mit den be­trieblichen Handlungsbedingungen einer alter(n)sgerechten Arbeitspolitik und konnte u.a. die be­sondere Rolle betrieblicher Ak­teurskonstellationen herausarbeiten. Das Projekt kommt zu dem Er­gebnis, dass ins­be­son­dere die Betriebe des industriellen Sektors vor der Herausforderung alternder Beleg­schaf­ten stehen und das Thema ‚demografischer Wandel‘ im personalpolitischen Diskurs durch­aus Konjunktur hat. Im Bereich der Arbeitsgestaltung, in dem vielfach erhebliche Defizite konstatiert werden, ist es bislang aber noch sehr wenig und nur in Ausnahmefällen ange­kommen. Die Liste der Defizite ist lang und reicht von ergonomischen Mängeln und einem zunehmenden Zeit‑ und Leistungsdruck, über unzureichende Handlungs‑, Mitgestaltungs‑ und Mit­spra­che­mög­lichkeiten bis hin zu wenig lernförderlichen Arbeitsbedingungen und stark eingeschränkten be­ruf­lichen Weiterbildungs‑ und Entwicklungsmöglichkeiten. Auch wenn die konkreten Ausprägungen der Arbeitsbedingungen sich je nach Tätigkeit und be­trieblichen Umständen erheblich un­ter­schei­den können, ist vor diesem Hintergrund ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben für vie­le Beschäftigte eine von ihnen ge­wünschte Option. Bestätigt wurden diese in Fallstudien ge­won­nenen Einschätzungen durch in 2013 am SOFI durchgeführte Auswertungen einer aktuellen Be­schäftig­ten­be­fra­gung der IG Metall mit einem Rücklauf von über 500 tsd. Fragebögen. 

 

In anderen größeren Projekten wie den Projektverbünden „‘Gute Arbeit‘ nach dem Boom“, „Brü­chi­ge Legitimationen ‑ neue Handlungsorientierungen?“ und „Agilitätsrelevante Aus­prägungen inno­vativer Arbeitspolitik“ wurden erste Ergebnisse vorgelegt. Auch wenn die­se Projekte jeweils sehr unterschiedliche Fragestellungen verfolgen und sich auch in me­thodischer Hinsicht stark un­ter­scheiden, gibt es in allen drei Projekten jedoch Hinweise auf die große Bedeutung arbeits­po­li­ti­scher Konzepte. Die im SOFI derzeit in verschiedenen Branchen und Tätigkeitsfeldern durch­ge­führ­ten Studien ähneln sich außerdem in ihrem Befund, dass in so unterschiedlichen Feldern wie In­no­vationstätigkeiten oder Produk­tions­bereichen der Wandel der Arbeit einerseits in starkem Maße durch bereichs‑ und tätig­keitsspezifische Organisationskonzepte mit erheblich unterschiedlichen Arbeitswirkungen geprägt ist, dass sich gerade entlang der Frage der Gestaltungs‑ und Mitsprache­mög­lich­keiten andererseits jedoch auch übergreifende Themen herausbilden, die aus Sicht der Be­schäftigten eine wichtige Rolle spielen und in konkreten Formen der betrieblichen Ar­beits­ge­stal­tung in unterschiedlichem Maße realisiert sind.

 

Jenseits der jeweils spezifischen Projektergebnisse (vgl. die nachfolgenden Einzel­dar­stel­lungen der Projekte) haben sich in den laufenden Projekten zwei Frageperspektiven her­ausgebildet, die die projektübergreifenden Diskussionen prägen. Angesichts der er­heb­li­chen Spannbreite arbeits­po­li­ti­scher Gestaltungskonzepte geht es erstens um den Stellen­wert der Themen Arbeitsorganisation und Arbeitsgestaltung sowie die Fragen, inwieweit sich ‚gute‘ und ‚schlechte betriebliche Praktiken unterscheiden lassen und was sich über deren Arbeitswirkungen sagen lässt. Im Projekt „Aus­hand­lung interorganisationaler F+E-Projekte ‑ formale und informale Strukturierung“ finden sich Ant­worten auf diese Fragen für den Bereich der Innovationsarbeit, in den AGTIL-Projekten stehen un­terschiedliche Fel­der von Produktionsarbeit und produktionsnahen Angestelltentätigkeiten im Mit­telpunkt.

 

Eine zweite projektübergreifende Diskussionslinie, die in der laufenden Forschung einen zu­neh­menden Stellenwert einnimmt, fragt danach, wie sich Beschäftigte ihre Arbeit an­eig­nen, welche Ungerechtigkeitserfahrungen sie machen, an welchen normativen An­sprü­chen sie sie messen und ggf. kritisieren und wie sie mit veränderten Anforderungen und ihrer betrieblichen Situation um­ge­hen. Nachdem in verschiedenen Projekten der letzten Jahre ein Schwerpunkt auf Inno­va­tions­tä­tig­keiten lag, die aus diesem Grund auch Ge­gen­stand eines eigenen Panels der Work-in-Progress-Ta­gung 2013 waren, spielen hierbei in aktuellen Projekten („Brüchige Legitimationen“, „Ar­beits­be­wusstsein und beschäftig­ten­ge­tragene Optimierungsprozesse“) zum Teil Produktionstätigkeiten sowie andere Ange­stell­tentätigkeiten wieder eine größere Rolle. Die SOFI-Projekte des Verbundes „‘Gute Arbeit‘ nach dem Boom“ bieten zudem die Chance eines sekundäranalytischen, ver­glei­chen­den Rückblicks auf die Bedeutung von Arbeit und den Stellenwert und die Erfahrungen mit Ge­stal­tungs‑ und Mitsprachemöglichkeiten.

 

Die Bedeutung neuer Organisationskonzepte von Arbeit unter dem Blickwinkel der Anfor­derungen an die Beschäftigten sowie der Gestaltungsmöglichkeiten und der Gestaltungs­notwendigkeiten ist außerdem Gegenstand des gerade neu angelaufenen Projektes „IWEPRO ‑ Intelligente selbst­or­ga­nisierende Werkstattproduktion“, das sich mit dem ge­genwärtig in Wirtschaft und Politik intensiv diskutierten und propagierten Thema ‚In­dustrie 4.0‘ beschäftigt und die mit der weiteren Di­gi­ta­li­sierung und Informatisierung von Fabriken und Wertschöpfungsprozessen einhergehenden Anfor­derungen erforscht. In dem Projekt mit verschiedenen Industriepartnern und dem Fraunhofer IPK ist es die Auf­ga­be des SOFI, die Einführung des Konzepts in der Getriebefertigung eines Auto­mo­bil­her­stel­lers zu begleiten und Impulse zur Arbeitsorganisation und Arbeitsgestaltung im Sinne einer Mitarbeiterbeteiligung zu geben. Die Frage ist, wie neue, „intelligente“ Pro­duk­tions­systeme so­zial­verträglich in die betriebliche Sozialstruktur eingepasst werden können, wie bestehende Kom­pe­tenzen der Beschäftigten genutzt werden können und welche Trai­nings‑ und Schulungs­maß­nah­men benutzerangemessen eingeführt und umgesetzt wer­den können.

 

Wandel von Produktions‑ und Innovationsmodellen

 

In der Forschungslinie der sozialwissenschaftlichen Innovationsforschung ist im Jahr 2013 das Pro­jekt COLLIN angelaufen. Es untersucht die innerbetriebliche Nutzung externer Wissensbestände in kollaborativen Innovationsprozessen. Das Projekt wird durch das Nie­der­sächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK) aus Vorab-Mitteln der Volks­wa­gen-Stiftung gefördert und erfolgt in einer Kooperation des SOFI mit Martin Heidenreich (Universität Oldenburg). Unternehmen öff­nen sich in ihren Innovationsprozessen mehr und mehr nach außen und nutzen die Kompetenzen und Ressourcen externer Wissensproduzenten. Sie entsprechen damit immer weniger der tra­di­tio­nellen Vorstellung vornehmlich unter­neh­mensintern organisierter Innovationsprozesse. Im Zent­rum des Projekts stehen unter­schied­li­che Formen der Integration und Nutzbarmachung externen Wissen durch Unternehmen, die Gründe, aus denen bestimmte Formen gewählt werden, die Probleme, die damit jeweils ver­bunden sind, sowie Strategien von Unternehmen, mit diesen Problemen umzugehen. Während die Oldenburger Projektgruppe diesem Wandel im Bereich der erneuerbaren Energien und des Windanlagenbaus nachgeht, untersucht das Göttinger Teilprojekt im Rahmen von Un­ter­neh­mensfallstudien kollaborative Innovationsprojekte im Bereich IT/Soft­ware. Das Projekt hat sich erfolgreich für die Ausrichtung einer Mini-Konferenz im Rahmen der SASE-Jahres­ta­gung im Juli 2014 in Chicago beworben. Die Mini-Konferenz mit dem Titel „The In­sti­tutional Foundations of Distributed and Open Innovation" stellt konzeptionelle Überlegungen und erste Ergebnisse aus dem Projekt in diesem internationalen Format zur Diskussion. 

 

Ein seit längeren verfolgter Aspekt, der auch im Rahmen des Projekts über kollaborative Innova­tio­nen in der Softwarebranche am Beispiel der Open Source Softwareentwicklung un­tersucht wird, ist die zunehmende Beteiligung von Kunden und Nutzern als Produzenten an der Herstellung von Produkten und Dienstleistungen. Dies ist auch ein immer wichtigeres Thema für die Entwicklung von Dienstleistungen im Internet. Eine Reihe von Publikationen sind aus dem SOFI hierzu bereits vorgelegt worden. Die Frage, ob diese Formen der Be­tei­li­gung von Kunden und Nutzern an der Produktion als Prototypen für die Herausbildung eines neuem Produktionsmodus verstanden wer­den können, diskutierte Heidemarie Hanekop in einem Beitrag auf der gemeinsamen Herbst­ta­gung der Sektionen Arbeits‑ und Tech­nik­so­zio­logie im November in Stuttgart. Im Rahmen des Göt­tinger Center für Digital Humanities, einer zentralen Universitätseinrichtung, an der Volker Wittke beteiligt war, wurde die For­schung zum Wandel der Wissenschaftskommunikation fortgeführt. Marco Schmitt (GCDH), der im Forschungsgebiet „Internet und Gesellschaft“ über die Veränderung von Wissen­schaftskommunikation durch das Internet forscht, hat gemeinsam mit Heidemarie Hanekop (SOFI) ein DAAD-Austauschprojekt mit einem Forschungsteam an der Queensland Uni­ver­si­ty of Technology unter Leitung von Prof. Axel Bruns begonnen. 

 

In der Forschungslinie, die sich mit dem Wandel des deutschen Kapitalismusmodells be­fasst, wur­de das Projekt „Finanzmarktorientierung und die Perspektiven der Mit­be­stim­mung“ fortgesetzt. Einen wichtigen Bestandteil der Arbeit stellte die Organisation und Durchführung der SOFI Tagung „Work in Progress“ im März 2013 in Göttingen dar, die den Titel „Finanzmarktkapitalismus – Arbeit – Innovation“ trug. Die Tagung diente zum einen dazu, die im SOFI selbst beheimateten un­terschiedlichen Perspektiven auf Arbeit und Innovation in der Vorbereitung in einen organisierten Dialog zu bringen, d.h. For­schung zum Zusammenhang von betrieblicher Mitbestimmung und In­novationsarbeit einerseits und verschiedenen Forschungen zur Finanzialisierung von Unter­neh­men und den Wechselwirkungen zur Unternehmensmitbestimmung und Personalpolitik. Zum an­deren brachte die Tagung selbst unsere Forschung auf diesem Gebiet in den Dialog mit führenden Fachvertretern, die sich alle mit unterschiedlichen Zugriffen mit der Frage beschäftigen, wie sich die Finanzialisierung von Unternehmen auf wirtschaftliches Wachstum, Innovationstätigkeit und die Entwicklung von Arbeit und Beschäftigung aus­wirken. Prominenter Gastredner aus den USA war William Lazonick (University of Mas­sachusetts Lowell), ein intimer Kenner der dortigen Share­holder-Value-Bewegung, der seit längerem über den Zusammenhang von Corporate Governance und Innovation forscht. Dass die von ihm entwickelte Theorie des innovativen Unternehmens sich sehr gut eignet für eine Analyse, wie die Innovativität von Unternehmen durch Ver­än­de­run­gen der Corporate Governance in Richtung „Shareholder Value“ untergraben werden (können), de­mon­strierte er in seinem Vortrag. An die 90 diskussionsfreudige Teil­neh­mer/‑innen aus Wissenschaft und Praxis forderten die Referenten im Verlauf der Ta­gung mit ihren Fragen und Kommentaren immer wieder heraus und machten sie zu einem Erlebnis. Nicht nur für Belebung, sondern auch für manch aufschlussreiche Ergänzung sorgte die Abschlussdiskussion mit einem Podium von „Prak­ti­kern“, die in unterschiedlichen Rollen Finanzialisierung betreiben, erleben, erleiden, abwehren oder gestalten. Eine Buch­ver­öffentlichung mit den überarbeiteten Beiträgen und weiteren ein­lei­tenden, kom­men­tie­renden und resümierenden Texten ist in Arbeit und wird in 2014 im Campus Verlag er­scheinen. 

 

Mit William Lazonick hat sich im Jahr 2013 eine längerfristige Zusammenarbeit ergeben. Er leitet ein international vergleichendes Forschungsprojekt zu der Frage, wie Fi­nanz­in­stitutionen gestaltet werden müssen, um nachhaltiges, beschäftigungsförderliches und „gerechtes“ Wachstum zu ge­währleisten und die Innovationsfähigkeit von Wirtschaft und Unternehmen zu fördern. Das Projekt „Financial Institutions for Innovation and De­velopment“ wird von der Ford Foundation (New York) finanziert und vergleicht die Er­fahrungen von einerseits entwickelten kapitalistischen Ländern wie den USA, Japan, Deutschland und andererseits von „newly developing countries“ wie China, Bra­si­lien und Indien (siehe unter: fiid.org/). Hierzu bringt es internationale Forscher auf Fach­kon­ferenzen zusammen, die bislang in den USA, Brasilien und China stattfanden. An der Konferenz in Beijing im Oktober 2013 an der Chinese Academy of Sciences hat Michael Faust für das SOFI mit einem Beitrag zum Thema „The Financial Economy and the Productive Economy: Is Financial Re­form on the right track?“ teilgenommen. Für das Jahr 2014 übernimmt das SOFI in Kooperation mit der Hans-Böckler-Stiftung zusammen mit der Ford Foundation und William Lazonick die Or­ga­ni­sa­tion der in Berlin für den November ge­planten Konferenz. 

 

In der Forschungslinie, die sich seit einiger Zeit mit ökologiebezogenen Innovationen befasst, star­tete in 2013 das Projekt „Reshaping institutions and processes in the transition towards renewable energy: lessons from bottom-up-initiatives“ (RESHAPE). Das Projekt wird vom Institut für Sys­tem­wissenschaften, Innovation und Nachhaltigkeitsforschung der Universität Graz (ISIS) gemeinsam mit dem SOFI durchgeführt und untersucht anhand eines öster­rei­chisch-deutschen Vergleichs die Rolle von Bottom-up-Initiativen in der Energiewende. Em­pi­rische Ergebnisse und theoretische Überlegungen aus der in den vergangenen Jahren am In­sti­tut durchgeführten sozial­wis­sen­schaft­li­chen Energieforschung greift eine internationale Buch­veröffentlichung zum Thema „Renewable Energies“ auf, an der Rüdiger Mautz vom SOFI als Herausgeber und Autor beteiligt ist (Matthias Groß, Rüdiger Mautz: Renewable Energies. Routledge; voraussichtlicher Veröffentlichungstermin: September 2014). 

 

In der Forschungslinie „globale Wertschöpfungsketten“ sind aus dem Projekt zu den Rück­wir­kun­gen „globaler Komponentenproduktion“ für hiesige Produktions‑ und In­no­vationsstrukturen zwei Aufsätze für ein internationales Publikum erschienen, die sich mit dem Ausmaß und Wegen des in­dustriellen Upgrading in China im Zuge der Glo­ba­li­sierung der Produktionsnetzwerke befassen. Eine abschließende Buchveröffentlichung ist in Arbeit.

 

Sozialmodell: Arbeit ‑ Bildung ‑ Lebensweise im Umbruch

 

Charakteristisch für die Arbeit des Forschungsschwerpunkts ist der Brückenschlag von empirischen Einzelstudien zu Vorhaben der Sozialberichterstattung, die analytisches Wissen zu einem Bild der gesellschaftlichen Entwicklung zusammensetzen. 

 

Im September 2013 nahm nach mehrjähriger Vorarbeit das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Verbundprojekt „Dritter Bericht zur sozioökonomischen Ent­wicklung in Deutschland“ (soeb 3) die Arbeit auf. Das SOFI koordiniert hier ein Verbundvorhaben, das mit insgesamt 17 wissenschaftlichen Einrichtungen größer ist als die vorausgegangenen, und ist an fünf der 18 inhaltlichen Arbeitspakete beteiligt. Im Forschungsschwerpunkt werden zu dem Bericht, der 2016 vorliegen wird, teils in alleiniger Verantwortung, teils mit Verbundpartnern Er­werbs‑ und Lebensverläufen mehrdimensional analysiert, die Teilhabewirkungen der Grund­siche­rung für Arbeitsuchende und die Rolle des Übergangssystems für die Ausbildungs‑ und Erwerbs­chancen von Jugendlichen mit geringwertigen allgemeinbildenden Schulabschlüssen untersucht und Erwerbsverläufe und Altersübergänge mit Daten der Rentenversicherung typisiert. Zur Un­ter­stützung des Verbunds koordiniert das SOFI die Entwicklung einer webbasierten virtuellen For­schungsumgebung für die gemeinsame Nutzung von Mikrodaten der Forschungsda­tenin­fra­struk­tur. In der dritten Förderphase der Berichterstattung zur sozioökonomischen Entwicklung wird sich entscheiden, ob das vom SOFI maßgeblich mit entwickelte Profil einer teilhabeorientierten, inter­disziplinären Berichterstattung zum Umbruch des deutschen Produktions‑ und Sozialmodells in eine Dauerbeobachtung überführt werden kann.

 

Im von der Kultusministerkonferenz (KMK) und dem BMBF getragenen fünften Bericht „Bildung in Deutschland“, der 2014 erscheint, verantwortet das SOFI federführend die Bereiche Berufliche Aus­bildung und Weiterbildung und Lernen im Erwachsenenalter und leistet einen Beitrag zum ak­tuel­len Schwerpunktthema, der Bildung von Menschen mit Behinderungen.

 

In der empirischen Bildungsforschung und in der Arbeitsmarktforschung verfolgt der For­schungs­schwerpunkt das Ziel, Evaluationsaufträge mit eigenen wissenschaftlichen Untersuchungs­vor­ha­ben zu verbinden. Wie dies gelingen kann, zeigt exemplarisch die Längsschnittuntersuchung zu den Bildungsbiographien gering qualifizierter Jugendlicher, in der Erhebungen aus vier Evalua­tionsprojekten mit Fördermitteln des BMBF zum Aufbau und zur Pflege eines eigenen Panelda­ten­satzes genutzt wurden. Das so entstandende Panel wird auch für das SOFI-Arbeitspaket zum Über­gangssystems in soeb 3 aufbereitet und analysiert.

 

Die neu begonnene Evaluationsstudie im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) zur Inanspruchnahme und Umsetzung der Leistungen für Bildung und Teilhabe stärkt die Verbindungslinie zwischen der empirischen Bildungsforschung und der arbeitsmarktpolitischen Evaluationsforschung. In diesem Verbundprojekt leitet das SOFI eine qualitative Implementa­tions­studie und kooperiert mit den vom Statistischen Bundesamt und dem Institut für Arbeitsmarkt‑ und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit verantworteten Teilprojekten. 

 

Im Berichtsjahr befanden sich fünf Projekte zu Arbeitsmarktdienstleistungen in der Feld‑ und Aus­wertungsphase. Veröffentlichungen sind erst nach Projektabschluss und in Absprache mit den Auf­traggebern möglich. Institutsintern wird an einer Projektentwicklung gearbeitet, die es auch in die­sem Untersuchungsfeld ermöglicht, die in der Auftragsforschung gewonnene Empirie unter eige­nen Fragestellungen nachzunutzen.

 

Verbindende Bezugspunkte für die verschiedenen Projekte des Forschungsschwerpunkts und für ihren Beitrag zum gesamten Forschungsprogramm des SOFI sind die sozialwissenschaftliche Fun­dierung des Teilhabebegriffs, die Lebensverlaufsperspektive und die Analyse des Betriebskon­tex­tes als Chancenstruktur. Diese Themen werden im Mittelpunkt der SOFI-Tagung „Work in Progress“ 2014 stehen, mit dessen Vorbereitung der Forschungsschwerpunkt im Berichtsjahr begann.

 

Die großen Verbundvorhaben, die im Forschungsschwerpunkt koordiniert werden, gaben im Be­richtsjahr Anlass, die Kompetenz für ein professionelles interdisziplinäres Forschungsverbund­ma­nagement zu stärken. Im Rahmen des Schwerpunkts arbeiten derzeit die Geschäftsstelle des Drit­ten Berichts zur sozioökonomischen Entwicklung in Deutschland und der Implementationsstudie zur Inanspruchnahme und Umsetzung der Leistungen für Bildung und Teilhabe. Mit Projektas­sis­tenz und Verbundmanagement entsteht neben den Stellen für Wissenschaftler/innen und Promo­vierende ein für das SOFI neues Tätigkeitsprofil.