Werkstattgespräch 1/2006

Deutschland im Modell

Göttingen, 21./22. Februar 2006

Ein Modell ist ein Vorbild, das der Nachahmung dient, oder die – meist verkleinerte – Nachahmung eines Vorbilds (Modellbau). In der Modelltheorie wird hingegen mit Modell ein vereinfachendes Abbild bezeichnet. (http://de.wikipedia.org/wiki/Modell)

Das »Modell Deutschland« hat seinen Glanz verloren. Doch in den Sozialwissenschaften hat der Versuch Konjunktur, Deutschland im Modell zu denken. So empfiehlt der ökonomische Mainstream das US-amerikanische Modell zur Übernahme, die EU stellt das europäische Sozialmodell dagegen. Zum fünfzehnten Jahrestag der deutschen Einheit mehren sich die Fragen, ob in den neuen Bundesländern statt Angleichung ein besonderes ostdeutsches Wirtschafts- und Sozialmodell entstanden ist. Was wird aus dem deutschen Beschäftigungsmodell? Wie leistungsfähig ist das Innovationsmodell, und wie lässt es sich ökologisch nachhaltig verändern?

Dieses Denken in Modellen drückt dreierlei aus: Erstens werden Wirtschaft und Gesellschaft, nachdem sie lange eher als Störgrößen für einander galten, wieder als Entwicklungszusammenhang gesehen. Ob Heuschreckendiskussion in der
SPD oder Wahlbilanz in der Union – die Akteure beschleicht Zweifel, ob der »rheinische Kapitalismus« mit weniger»Sozialklimbim« wirklich besser funktioniert. Die Marktwirtschaft bedarf offenbar der gesellschaftlichen Einbettung und der sozialen Flankierung. Zweitens aber vergleicht sich die Bundesrepublik in der gegenwärtigen Umbruchsphase mit einer – wie immer bewerteten – Vergangenheit und mit anderen Ländermodellen. Sei es im Rahmen des EU-Benchmarkingoder im Rahmen internationaler Vergleiche: gesucht sind tragfähige und übertragbare sozioökonomische Konstellationen. Und damit rücken, drittens, politische Gestaltungsspielräume für sozioökonomische Entwicklung in den Vordergrund der Diskussion. Denn wenn Wirtschafts- und Sozialmodelle gar nicht gestaltbar wären, wozu sie international vergleichen?

Der sozioökonomische Berichtsansatz zielt auf den Gegenstand dieser Kontroversen: Wie lässt sich der soziale und ökonomische Entwicklungszusammenhang beobachten? Und dies unter der erschwerenden Annahme, dass sich das deutsche Produktions- und Sozialmodell in einem tiefgreifenden Umbruch befindet – mit offenem Ausgang.

Mit den Konsequenzen dieser thematischen Erweiterung im Programm der Sozialberichterstattung soll sich das erste von fünf SOEB- Werkstattgesprächen beschäftigen. Wir wollen uns über andere Forschungsansätze informieren und Kommentare anderer Forschungs- und Berichtsansätze zu unseren konzeptionellen Überlegungen einholen. Und schließlich wollen wir darüber diskutieren, an welchen politisch- normativen Konzepten sich eine Beobachtung des Produktions- und Sozialmodells im Umbruch orientieren kann.

Peter Bartelheimer (SOFI) Tatjana Fuchs (INIFES)

Beiträge:

  • Peter Bartelheimer: Umbruch des Produktions- und Sozialmodells: [PDF]
  • Roland Roth: Die regulationstheoretische Perspektive: [PDF]
  • Frieder Otto Wolf: Europäisches Sozialmodell: [PDF]
  • Waltraud Cornelißen: Geschlechtergerechtigkeit in Deutschland: [PDF]
  • Karin Kurz: Analysen von Erwerbsverläufen: [PDF]
  • Jean Michel Bonvin: Employment and Labour Market Regulation: [PDF]
  • Ortrud Leßmann: Lebenslage- und Capabilty-Ansatz: [PDF]
  • Petra Böhnke: Gesellschaftliche Teilhabe: [PDF]
  • Sebastian Brandl: Nachhaltigkeit: [PDF]
  • Norbert Schwarz: Makroökonomische Ansätze: [PDF]
  • Jan Marbach: Veränderungen des Sozialkapitals: [PDF]
  • Jan Marbach: Social Capital: [PDF]
  • Heinz Herbert Noll: Kommentar zum Werkstattgespräch: [PDF]