Werkstattgespräch 5/2006

Und wer passt auf die Kinder der Dienstmädchen auf?

Arbeit und Lebensweise im Spiegel der Haushaltsökonomie

Als Ansatz zur Lösung der Beschäftigungskrise wird häufigdie Auslagerung von Haushaltsarbeit diskutiert: statt privater Haus-, Pflege und Sorgearbeit mehr erwerbsförmig geleistete Dienstleistungsarbeit im personen- und haushaltsnahen Bereich. Der Charme solcher Forderungen liegt darin, dass sich die Perspektive auf zusätzliche Beschäftigung mit dem Bedürfnis von vielen Frauen verbindet, Entlastung von Anforderungen der doppelten Lebensführung zu erhalten. Denn während die Erwerbstätigkeit und der Erwerbswunschinsbesondere von verheirateten Frauen und von Müttern deutlich zugenommen haben, hat sich an den institutionellen Grundlagen der privaten Erledigung von Haushaltsarbeitnur wenig verändert. Gerade aus dieser Kombination eines Umbruchs in der Lebensweise und dem Beharrungsvermögen familialer Institutionen (Kinderbetreuung, private Pflege, Ehegattensplitting usw.) ist ein Bedürfnis nach haushaltsbezogenen Dienstleistungen entstanden.
Die Gretchenfrage dieser Diskussionen ist, welche Form diese Auslagerung annehmen soll, damit sich die Hoffnungenauf eine positive Verstärkung von veränderten Bedürfnissen und ökonomischer Entwicklung erfüllen können. Die einensetzen auf marktförmige Dienstleistungen, die eine starke Polarisierung des Einkommensgefüges voraussetzen: Nurwenn die Dienstleister/innen ihre Arbeit zu einem niedrigemPreis anbieten, werden Haushalte, die über ein entsprechendes Einkommen verfügen, diese nachfragen. Dieser Weg ist exklusiv: Ein Teil der Bevölkerung kann diese Dienstleistungen nachfragen, die Dienstleister/innen selbst bleiben davon jedoch ausgeschlossen. Im Gegensatz dazu setzen andere auf den Ausbau staatlich finanzierter und organisierter haushaltsnaher Dienstleistungen bzw. auf den Ausbau des Dritten Sektors. Dieser Weg verlangt – neben der Angleichung der Arbeitszeiten von Frauen und Männern – steuer-finanzierte Leistungen und gerade keine Einkommensspreizung.
Das letzte SOEB-Werkstattgespräch dieser Serie stellt die Veränderungen der Lebensweise in den Mittelpunkt und fragt nach ihren sozialen und ökonomischen Implikationen. Im welchem Maße lässt sich bereits heute eine Ausdifferenzierung der wirtschaftlichen und sozialen Lage der Haushalte beobachten, und welche Bedeutung hat dies für die Teilhabe der Haushaltsmitglieder an der sozialen und ökonomischen Entwicklung? Welchen Einfluss hat materielle Unterversorgung für die Entwicklungsperspektiven von Kindern und Erwachsenen, und welche Bedeutung hat der demographische Wandel für diese Haushalte? Welche ökonomischen Rückwirkungen sind zu erwarten?
Durchschnittsbetrachtungen verlieren im Zuge des sozio-ökonomischen Umbruchs massiv an Aussagekraft: Der »Durchschnittshaushalt«, »die durchschnittliche Sparquote«, »der durchschnittliche Konsum« sagen immer weniger über die realen Lebensweisen und ökonomischen Verhaltens-weisen aus. Wie differenziert und wie komplex müssen also heute Beobachtungskonzepte sein? Welche Anforderungen, Ansatzpunkte und Ideen liefern dazu bestehende Berichts-und Forschungsansätze, dies sich mit den genannten Themen beschäftigten? Auch diese Fragen wollen wir diskutieren.

Tatjana Fuchs (INIFES)

Beiträge:

  • Tatjana Fuchs: Lebensweisen im Umbruch: [PDF]
  • Claudia Gather: Bezahlte und unbezahlte Hausarbeit: [PDF]
  • Karen Jaehrling: Soziale und haushaltsnahe Dienstleistungen: [PDF]
  • Axel Schaffer, Carsten Stahmer: Aktivitätsmuster: [PDF]
  • Wencke Gwozdz: Private Haushaltsarbeit: [PDF]
  • Marc Ingo Wolter: Konsumchancen: [PDF]
  • Christian Alt: Kinder geben Auskunft: [PDF]
  • Andreas Motel-Klingebiel: Dienstleistungsbedarf in alternder Gesellschaft: [PDF]